Der Gesamtvorstand des HJV hatte auf seiner Sitzung vom 4. März 2022 beschlossen, daß entgegen der Regelung der Satzung und dem Vereinsregistereintrag des HJV einzelnen Mitgliedern des gesetzlichen Vorstandes eine zeitlich und sachlich unbeschränkte Generalvollmacht erteilt werden sollte, um den HJV auf regionalen und überregionalen Veranstaltungen (insbesondere des Deutschen Judo-Bundes e. V. und des lsb h) zu vertreten. Ein Vorstandsmitglied warnte vor der Fassung dieses Beschlusses, weil er gegen die Satzung und das Gesetz verstoße, und beteiligte sich nicht an der Abstimmung, um so einer persönlichen Haftung für dessen eventuelle finanzielle Folgen für den HJV zu entgehen.
Im Verfahren 1/22 RA hat der Rechtsausschuß des HJV mit Datum vom 12. September 2022 festgestellt, daß der vorgenannte Beschluß und die erteilten Generalvollmachten nichtig waren und sind. Der Rechtsausschuß führt in der Beschlußbegründung aus, daß der Gesamtvorstand als nicht zuständiges Organ nicht befugt ist, die Vertretungsberechtigung des gesetzlichen Vorstandes zu ändern. Eine Änderung der Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vorstandes ist grundsätzlich nur auf dem Wege der Satzungsänderung und nicht durch die Erteilung einer von der Satzungsregelung abweichenden Vertretungsbefugnis durch ein Vereinsorgan ohne Änderung der Satzung möglich. Der nichtige Beschluß des Gesamtvorstandes verletzt auch den Bestimmtheitsgrundsatz, der Umfang der nichtig erteilten Vollmacht bleibt völlig offen. «Hier wurde effektiv durch den Gesamtvorstand eine Generalvollmacht erteilt und damit gegen die Satzung verstoßen.» (S. 5 des Beschlusses vom 12. September 2022). Eine aufschiebende Wirkung eines etwaigen Widerspruchs gegen diesen Beschluß wurde ausgeschlossen, so daß er mit sofortiger Wirkung gilt.
Soweit der HJV während der letzten Monate auf Versammlungen des DJB und des lsb h durch nur ein Mitglied des gesetzlichen Vorstandes vertreten war, war diesem nur eine Passivvertretung gestattet. Eine Beteiligung des nur durch ein Mitglied des gesetzlichen Vorstandes vertretenen HJV etwa an Beschlüssen oder Wahlen des DJB oder des lsb h führte grundsätzlich zu einer Nichtigkeit dieser Beschlüsse oder Wahlen. Soweit Fristen für die Feststellung dieser Nichtigkeit bestehen, beginnen diese mit dem Tag nach dem öffentlichen Bekanntwerden — somit mit dem 13. September 2022 — der nichtigen Vertretung des HJV auf der entsprechenden Versammlung wie beispielsweise der außerordentlichen Mitgliederversammlung des DJB vom März 2022 in Potsdam.
Sofern etwa dem DJB und dessen Mitgliedern durch eine durch einen gesetzlichen Vorstand des HJV verursachte etwaige Wiederholung der Wahlen vom März 2022 Kosten entstehen sollten, kann für diese der HJV grundsätzlich in voller Höhe haftbar gemacht werden. Diese Haftung gilt auch gegenüber anderen Verbänden, auf denen sich der durch nur ein Mitglied seines gesetzlichen Vorstandes vertretene HJV an Beschlüssen und Wahlen beteiligte, sofern dadurch ein Schaden entstand. Der größte Schaden dürfte durch die nichtigen Vertretungsakte des HJV dem DJB zugefügt worden sein, da dessen Vorstandswahlen vom März 2022 nunmehr von jedem Mitglied des DJB unter Berufung auf einschlägige BGH-Urteile angefochten werden können, indem die Feststellung ihrer Nichtigkeit beantragt wird.
Rückstellungen für die Begleichung eventueller Schadensersatzforderungen sind bisher noch nicht gebildet worden.
Prof. Dr. Axel Schönberger
Schatzmeister